Dienstag, 26. Oktober 2010

Big Brother Awards 2010

Gestern Abend besuchte ich erstmals einen Big Brother Award im Wiener Rabenhoftheater. Wer nicht dort war, hat etwas versäumt !
Die Preisverleihung wurde auf Video aufgezeichnet, mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Website.

Publikum vor dem Rabenhoftheater



Beim Big Brother Award werden Politiker, Unternehmer und Organisationen ausgezeichnet die sich besonders um die Verletzung der Datenschuztrechte und der Privatsphäre von Bürgern hervorgetan haben. Die "Gewinner" werden -meist in Abwesenheit- präsentiert und kräftig ausgebuht, haben aber die Gelegenheit sich persönlich ihre Preise abzuholen (und zu rechtfertigen) bzw. eine Stellungsnahme auf der Big-Brother-Website zu veröffentlichen.

Geschichte


Der Big Brother Award kommt ursprünglich aus Großbritannien und wird unregelmäßig in über 25 Ländern vergeben. Österreich ist ein besonderes Big-Brother-Land: Nur in Österreich gibt es kontinuierlich seit 12 Jahren jährlich ein Big-Brother-Award "Event".

Persönlich habe ich erst 2 Mal mit einem Big-Brother-Award zu tun gehabt:
Erstmals vor einigen Jahren im Lokal Flex am Donaukanal, wo die Preistrophäen - kleine, batteriebetriebene Roboter - "über die Planke" in den Donaukanal marschierten. Da sich ein Roboter technikbedingt weigerte und stattdessen ängstlich am Stand marschierte wurde er per Fußtritt in weitem Bogen in den Donaukanal gekickt... Ein unvergessliches Erlebnis. Die Siegerehrung moderierte damals der Kabarettist Thomas Maurer.

Einige Jahre später hörte ich auf dem Chaos-Computer-Congress 2006 in Berlin einen Vortrag über den österreichischen Big-Brother-Award. Unter großem Applaus wurde über die österreichischen Big-Brother-Awards berichtet, unter anderem über einen Preis der aus lebenden, riesengroßen Kakerlaken (in einem Plexiglaszylinder) bestand und vom Lifetime-Award "Lebenslanges-Ärgernis-Elisabeth-Gehrer-Preis für die nachhaltigste Annäherung an die Romanvorlage 1984“ - Elisabeth Gehrer war Unterrichtsministerin während der blau-schwarzen Koalition.

Big Brother Award 2010


Im Rabenhoftheater herrschte gegen 20:00 schon dichtes Gedränge. Die Eintrittskarten kosteten sympathischerweise genau 0,- Euro, wurden aber trotzdem mit ernster Miene ausgegeben, kontrolliert und abgerissen. Ebenfalls erfreulich: Ich konnte eines der sehr coolen Big-Brother-Award T-Shirts ergattern.


T-Shirts. Bestell-ink unter dem Artikel



Durch den Abend führte TV-Moderatorin Dagmar Streicher, neben Musikeinlagen der Bands Squishysquid" und Kilomusik und einer Kunstaktion (Hodenscan) des Duos "Monochrom" traten die einzelnen Laudatoren auf welche die Nominierungen präsentierten. Eine Stimme aus dem Off verkündigte dann die Jury-Entscheidung und den Sieger in der jeweiligen Kategorie, begleitet von lautstarken Pfiffen und Buh-Rufen des Publikums.

Zum ersten Mal hatte ich Gelegenheit den Physiker Werner Gruber (bekannt aus Science Busters) live zu sehen. In einer Videoeinspielung wurde gezeigt wie Herr Gruber für eine Fernsehreportage Thermit durch einen Nacktscanner schmuggelte und damit die Absurdität der ganzen Antiterror-Maßnahmen demonstrieren konnte. Aufgrund seiner Demonstration wurde der Nacktscannereinsatz in Deutschland verschoben und Belgien stornierte eine Bestellung. Außerdem ist er laut eigenen Angaben seither das prominenteste Nacktscanner-Model.

Science-Buster Werner Gruber, Flugzeugsprengstoff in Dosen und Moderatorin Dagmar Streicher

lebenslanges Ärgernis

Den Hauptpreis in der Kategorie "lebenslanges Ärgernis" bekamen verdientermaßen die "Internet-Absperrer", welche unter dem Vorwand der Bekämpfung von Kinderpornographie Zensur und Netzsperren im Internet durchsetzen wollen um der Musik- und Filmindustrie zu ihren "Rechten" zu verhelfen.


Betroffenheit

Als politisch interessierter Mensch fühlte ich mich beim Thema Datenschutz und Bürgerrechte eigentlich ganz gut informiert; bei der Big-Brother-Award-Gala erfuhr ich mir unbekannte Details über Datenschutz- und Rechtsmissbrauch in Österreich die mich sehr betroffen machten.

So schlug Justizministerin Claudia Bandion-Ortner [ÖVP] (dank einer massiven "Wahlkampagne" der Grünen) beim Preis für heimische Politiker Innenministerin Fekter (ebenfalls ÖVP). Während Frau Fekters Wahlkampfaktionen (Gefängnis für Kleinkinder) durch den Wiener Wahlkampf hinlänglich bekannt sind, waren mir Bandion-Ortner's jüngste Aktionen weniger bewusst: Wochenlange U-Haft und Verdacht auf Bildung einer terroristischen Vereinigung gegen 4 Jugendliche welche Papierkörbe angezündet hatten. Außerdem Vorladung von Journalisten (u.a. Profil) zur Staatsanwaltschaft und Verhör durch das Betrugsdezernat weil die Journalisten aus einem laufenden Verfahren zitiert hatten, was in Deutschland (sic!) strafbar ist. Wohlgemerkt, nicht in Österreich! Sogar der vernehmende Polizist musste zugeben dass gegen die Journalisten nichts vorliegt.

Reaktionen

Zwei für-Preise-Nominierte-aber-nicht-gewählte (von Attac und von einem SMS-Gewinnspiel) nutzten die Gelegenheit um sich vor Publikum zu rechtfertigen. Der Sprecher von Attac (es ging um die illegal erworbene CD mit Steuerdaten) plädierte für eine Gleichbehandlung beim Datenschutz von Arbeitseinkommen und Vermögenseinkommen. Der Sprecher des Handygewinnspiels plädierte dafür Nominierungen zum BigBrother Award zurückzuziehen wenn eine Stellungnahme des Unternehmens die Vorwürfe entkräften kann. Während das Publikum dem Attac-Sprecher wohlgesinnt war erntete der Handygewinnspielsprecher Buh-Rufe.

Pannen

Datenklauskandal selbst beim Big-Brother-Award: Die Zeitung "DerStandard online" veröffentlichte die Gewinner schon um 20:00 auf ihrer Website, noch vor der offiziellen Verkündigung während der Veranstaltung...anscheinend gibt es ein "Datenleck" innerhalb der BigBrotherAward-Organisation.
Herr Gruber vergaß seine Sprengstoff-Flascherln nach seinem Auftritt am Rednerpult - die Moderatorin musste sie ihm unter großem Gelächter nachtragen. Ein männlicher Laudator wurde als "Renate" vorgestellt und eine Laudatorin verhaspelte sich mehrmals bei den Details zu Apple's I-Phone.

Fazit

Ein sehr vergnüglicher Abend zu einem betrüblichen Thema. Besuch nächstes Jahr wird empfohlen.


Links:


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Samstag, 2. Oktober 2010

offener Bücherschrank und Bookcrossing

Seit Jahren mache ich bei Bookcrossing mit und seit Monaten weiß ich vom offenen Bücherschrank im 7. Bezirk, aber erst heute habe ich mich aufgerafft um beide Projekte miteinander zu verbinden:
Ich habe mein Bücherregal ausgemistet, einige Bücher mit Bookcrossing-Pickerln und Nummern (BCID) versehen und in den offenen Bücherschrank (Ecke Zieglergasse / Westbahnstraße) eingestellt.
Der offene Bücherschrank Ecke Zieglergasse / Westbahnstraße. Bildrechte: Horst JENS. Lizenz: CC-BY

Zur Erklärung:

Bookcrossing.com


Lesen und Freilassen bei BookCrossing.com...

Bookcrossing.com ist eine Website auf welcher man Bücher mit einer weltweit
eindeutigen Nummer (der Bookcrossing-ID oder BCID) versehen kann um sie dann "in die Wildnis zu entlassen", am Besten in eine sogenannte official Book Crossing Zone (OBCZ). Mit etwas Glück wird ein Buch dort von Fremden entdeckt, gelesen und im Internet unter der Nummer ein neuer Journaleintrag verfasst, sodass man sehen kann wer das Buch gerade besitzt, wie es gefällt und wohin es reist.

offener Bücherschrank

im Bücherschrank drinnen
Der offene Bücherschrank (mittlerweile gibt es schon 2 in Wien, ein dritter ist geplant) ist ein öffentlich zugänglicher, unverschlossener Bücherkasten in welchen man kostenlos Bücher reinstellen bzw. rausnehmen kann. Der offene Bücherschrank Zieglergasse/Westbahnstraße ist z.B. gleichzeitig eine OBCZ, allerdings sind nicht alle Bücher im offenen Bücherschrank mit einer bookcrossing-id versehen.

Auffällig beim offenen Bücherschrank ist erst einmal die Architektur: Das Ding steht irgendwie schief...absichtlich. Doch das ist noch gar nichts im Vergleich zum offenen Bücherschrank am Brunnenmarkt...

Angenehm überrascht war ich davon dass der offene Bücherschrank Zieglergasse gut besucht war: Eine Passantin nahm sich gleich eines der von mir eingestellten Bücher mit nach Hause und erzählte mir dass sie sowohl erlebt hätte dass der Bücherschrank übervoll war als auch dass er leergeräumt war.

Ich gratuliere Frank Gassner zu seinem sehr gelungenem offener-Bücherschrank-Projekt, welches auf einfach geniale Weise Bücherflohmarkt, Bücherei, Bookcrossingzone und Kunstwerk miteinander verbindet, die Kommunikation zwischen wildfremden Großstädtern erleichtert und für Stadt und Einwohner eine Bereicherung darstellt.
Deshalb: Mehr Schränke für Wien !


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